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14 Beispiele für die Zusammenarbeit zwischen Arten in der Wildnis

Putzerlippfisch
Putzerlippfisch. Bild von Openverse.

In der enormen Komplexität der Natur haben Tiere faszinierende Beziehungen entwickelt, die über Artgrenzen hinausgehen. Während Konkurrenz und Raubtierverhalten in Diskussionen über tierische Interaktionen große Aufmerksamkeit erhalten, stellt die Kooperation zwischen verschiedenen Arten eines der bemerkenswertesten Phänomene der Natur dar. Diese mutualistischen Beziehungen zeigen, wie die Evolution Zusammenarbeit ebenso fördern kann wie Konkurrenz, was zu Partnerschaften führt, die allen Beteiligten zugutekommen. Von den Tiefen des Ozeans bis in die Baumkronen der Wälder ist die Kooperation zwischen Arten unzählige Male unabhängig voneinander entstanden und hat lebendige Beispiele dafür geschaffen, wie sich unterschiedliche Organismen gegenseitig unterstützen können. Diese 14 bemerkenswerten Beispiele veranschaulichen die Fähigkeit der Natur, ungewöhnliche Allianzen zu bilden, stellen unser Verständnis tierischen Verhaltens in Frage und offenbaren die Verbundenheit aller Lebewesen.

Putzerfische und ihre Kunden

Putzerlippfisch
Putzerlippfisch. Bild von Openverse.

In der lebendigen Welt der Korallenriffe hat sich eine außergewöhnliche Beziehung zwischen Putzerfischen (vor allem aus der Familie der Lippfische und Grundeln) und größeren Fischarten entwickelt. Die Putzerfische betreiben sogenannte „Putzerstationen“, die größere Fische gezielt aufsuchen, um sich von Parasiten, abgestorbener Haut und anderen Ablagerungen befreien zu lassen. Die kleinen Putzerfische erhalten so eine zuverlässige Nahrungsquelle, während ihre „Kunden“ wertvolle Pflegeleistungen erhalten, die ihre Gesundheit durch die Entfernung schädlicher Parasiten verbessern. Besonders bemerkenswert an dieser Beziehung ist, dass Raubfische während dieser Putzsitzungen ihren Jagdinstinkt unterdrücken, sodass die kleinen Putzerfische sicher in ihrem Maul und ihren Kiemen schwimmen können. Untersuchungen haben gezeigt, dass Rifffische, denen der Zugang zu Putzerstationen verwehrt wird, höhere Stresshormonspiegel und eine erhöhte Parasitenbelastung aufweisen, was die lebenswichtige Bedeutung dieser Zusammenarbeit für das Ökosystem der Riffe unterstreicht.

Honiganzeiger und Menschen

Afrikanischer Honiganzeiger
Afrikanischer Honiganzeiger. Bild von Derek Keats aus Johannesburg, Südafrika, CC BY 2.0 https://creativecommons.org/licenses/by/2.0, über Wikimedia Commons.

Eines der faszinierendsten Beispiele für die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Wildtier findet sich in Teilen Afrikas zwischen dem Großen Honiganzeiger (Indicator indicator) und menschlichen Honigjägern. Der Honiganzeiger hat ein spezifisches Verhalten entwickelt, um Menschen zu in Bäumen oder Felsspalten versteckten Bienenstöcken zu führen. Mit charakteristischen Rufen und Flugmustern erregt der Vogel die Aufmerksamkeit der Menschen und führt sie dann zu Honigquellen. Nachdem die Menschen mithilfe von Rauch und Werkzeugen in den Stock gelangt sind, ernähren sich die Vögel von dem zurückgelassenen Bienenwachs und den Larven – Nahrung, an deren Verdauung sie speziell angepasst sind. Diese Beziehung kommt beiden Arten zugute: Menschen erhalten Zugang zu wertvollem Honig, den sie sonst vielleicht nicht finden würden, während die Vögel Zugang zu Nahrung erhalten, die sie ohne menschliche Hilfe nicht erreichen könnten. Studien in Nordmosambik haben gezeigt, dass Honigjäger über dreimal erfolgreicher Honig finden, wenn sie Honiganzeigern folgen, als wenn sie allein suchen. Diese Beziehung ist einer der wenigen dokumentierten Fälle aktiver Zusammenarbeit von Wildtieren und Menschen zum gegenseitigen Nutzen.

Madenhacker und Großsäugetiere

Impala
Von Charles J. Sharp – Selbst fotografiert, von Sharp Photography, sharpphotography.co.uk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=67815562

Die Beziehung zwischen Rotschnabel- und Gelbschnabelmadenhackern (Buphagus-Arten) und großen afrikanischen Säugetieren stellt eine komplexe Form der interartlichen Kooperation dar. Diese Vögel sitzen auf Tieren wie Nashörnern, Giraffen, Kaffernbüffeln und verschiedenen Antilopenarten und ernähren sich dort von Zecken, Fliegen und anderen Parasiten, die ihre Wirte plagen. Neben der Schädlingsbekämpfung bieten Madenhacker einen weiteren Vorteil: Sie dienen als lebendes Alarmsystem. Dank ihrer erhöhten Position und ihres scharfen Sehvermögens machen sie ihre Wirte mit charakteristischen Alarmrufen schnell auf sich nähernde Raubtiere oder Menschen aufmerksam. Ihre Wirte profitieren von der Parasitenbekämpfung und der frühzeitigen Warnung vor Gefahren, während die Vögel eine stetige Nahrungsversorgung und sichere Sitzplätze oberhalb der Bodenprädatoren erhalten. Diese Beziehung ist jedoch komplex – Untersuchungen haben gezeigt, dass Madenhacker manchmal an Wunden kratzen und so die Heilung verzögern können. Trotz dieser gelegentlichen Interessenkonflikte bleibt die Beziehung bestehen, da der Gesamtnutzen für beide Arten die Kosten überwiegt. Dies macht sie zu einem faszinierenden Beispiel für das Gleichgewicht der Natur zwischen Kooperation und Ausbeutung.

Clownfische und Seeanemonen

Ocellaris-Clownfisch (Amphiprion ocellaris) in einer prächtigen Seeanemone (Heteractis magnifica).
Ocellaris-Clownfisch in einer prächtigen Seeanemone (Heteractis magnifica). Diego Delso, CC BY-SA 4.0 über Wikimedia Commons.

Die ikonische Partnerschaft zwischen Clownfischen (Amphiprioninae) und Seeanemonen gilt als eines der eindrucksvollsten Beispiele für die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Arten in der Natur. Die Tentakeln von Seeanemonen enthalten starke Nesselzellen (Nematozysten), die die meisten Fische abschrecken. Clownfische hingegen haben eine spezielle Schleimschicht entwickelt, die diese Stiche verhindert. Diese Immunität ermöglicht es Clownfischen, sich in den Tentakeln der Anemone einzunisten und so vor Fressfeinden zu schützen, die sich nicht in die Nähe der Nesselzellen wagen. Im Gegenzug profitiert die Anemone in vielerlei Hinsicht: Clownfische verteidigen ihren Wirt aggressiv gegen anemonenfressende Fische, liefern Nährstoffe durch ihre Ausscheidungen und können die Wasserzirkulation um die Anemone herum verbessern, indem sie zwischen den Tentakeln schwimmen. Einige Studien deuten darauf hin, dass die leuchtende Färbung der Fische sogar Beute für die Anemone anlocken könnte. Diese Beziehung ist so spezialisiert, dass viele Clownfischarten nur mit bestimmten Anemonenarten zusammenarbeiten können, wodurch in tropischen Korallenriffen vielfältige mutualistische Partnerschaften entstehen. Die gegenseitige Abhängigkeit ist so stark geworden, dass in manchen Gebieten beide Bevölkerungen leiden, wenn ein Partner schwächer wird.

Krokodile und Regenpfeifer

Krokodiljunges.
Krokodiljunges. Bild von devstopfix, CC BY-SA 2.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0, via Wikimedia Commons

Eine der überraschendsten Partnerschaften der Natur findet zwischen Nilkrokodilen und ägyptischen Regenpfeifern, auch „Krokodilvögel“ genannt, statt. Wenn Krokodile mit offenem Maul sonnenbaden, dringen Regenpfeifer kühn in dieses furchterregende Maul ein, um Blutegel, Futterreste und Parasiten zwischen den Zähnen der Reptilien zu fressen. Diese Putzaktion dient der Zahnhygiene des Krokodils und bietet den Vögeln eine leichte Beute. Bemerkenswert an dieser Kooperation ist die unglaubliche Zurückhaltung der Krokodile, die ihre Kiefer leicht schließen und die Vögel verzehren könnten, ihnen jedoch ungestört ihre Putzaktion ermöglichen. Obwohl diese Beziehung bereits von Herodot in der Antike dokumentiert wurde und in zahlreichen naturhistorischen Berichten auftaucht, ist die moderne wissenschaftliche Dokumentation dieses spezifischen Verhaltens überraschend spärlich. Dennoch wurden ähnliche Beziehungen zwischen Regenpfeifern und Krokodilen in verschiedenen Regionen beobachtet, was zeigt, wie Kooperation selbst zwischen Arten mit drastisch unterschiedlicher Größe und ökologischer Rolle entstehen kann.

Knallkrebse und Grundeln

Pistolengarnelen
Knallkrebse und Grundeln. Bild über Depositphotos.

Tief im Sandboden tropischer Korallenriffe hat sich eine außergewöhnliche Partnerschaft zwischen Knallkrebsen (Familie Alpheidae) und Grundeln (Familie Gobiidae) entwickelt. Der fast blinde Knallkrebs gräbt und pflegt einen Bau, der beiden Tieren als Unterschlupf dient. Während der fleißige Krebs arbeitet, bewacht der Grundel den Eingang und hält mit seinem Schwanz ständigen Körperkontakt mit dem Krebs. Erkennt der Grundel Gefahr, signalisiert er dem Krebs durch gezielte Schwanzbewegungen, woraufhin sich beide Tiere schnell in ihren gemeinsamen Bau zurückziehen. Diese Kombination bietet dem Krebs wichtigen Schutz vor unsichtbaren Fressfeinden, während der Grundel ein sicheres Zuhause erhält, das er sich selbst nicht bauen könnte. Die Beziehung ist so eng miteinander verknüpft, dass in der Natur oft keine der beiden Arten ohne ihren Partner vorkommt. Im Laufe der Evolution haben sich manche Artenpaare so spezialisiert, dass bestimmte Grundelarten nur mit bestimmten Garnelenarten kooperieren, wodurch in tropischen Gewässern vielfältige Partnerschaften entstehen. Dieses bemerkenswerte Beispiel für Kooperation zeigt, wie Arten mit komplementären Fähigkeiten Allianzen bilden können, die das Überleben beider Partner sichern.

Raben und Wölfe

schwarzer Vogel in Nahaufnahme
Rabe. Bild über Unsplash.

Die Beziehung zwischen Kolkraben (Corvus corax) und Wölfen (Canis lupus) ist eines der faszinierendsten Beispiele für die Zusammenarbeit zwischen Raubvögeln und Raubsäugetieren. Raben haben gelernt, Wolfsrudeln zu folgen und sie durch charakteristische Rufe auf potenzielle Beute aufmerksam zu machen. Wenn Wölfe Beute machen, profitieren die Raben davon, indem sie die Überreste erbeuten, die ihnen sonst unerreichbar wären, insbesondere im Winter, wenn die Kadaver gefroren sind. Wölfe wiederum scheinen auf Rabenrufe zu reagieren, die auf potenzielle Beute hinweisen, und nutzen die bessere Vogelperspektive, um Tiere zu orten, die sie sonst übersehen hätten. Studien im Yellowstone-Nationalpark haben gezeigt, dass Raben bis zu einem Drittel ihrer Winternahrung aus Wolfsbeute gewinnen können. Interessanterweise scheinen Raben zwischen verschiedenen Wolfsrudeln zu unterscheiden und spezifische Bindungen zu bestimmten Gruppen zu bilden. Einige Forscher haben sogar beobachtet, wie Raben Wölfe spielerisch am Schwanz zogen oder Zweige fallen ließen, damit die Wölfe sie untersuchen konnten. Dies deutet auf eine Beziehung hin, die über bloße Futtermöglichkeiten hinausgeht und Elemente sozialer Interaktion beinhaltet. Diese Partnerschaft zeigt, wie Intelligenz und Verhaltensflexibilität vorteilhafte Beziehungen zwischen sehr unterschiedlichen Arten schaffen können.

Akazienbäume und Ameisen

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Wanderameisen. Foto von SandeepHanda

In den afrikanischen Savannen haben bestimmte Akazienarten (insbesondere Vachellia drepanolobium) eine bemerkenswerte Verteidigungspartnerschaft mit mehreren Ameisenarten der Gattung Crematogaster entwickelt. Diese „Ameisenpflanzen“ haben spezialisierte hohle Dornen entwickelt, die Ameisenkolonien als ideale Behausung dienen und gleichzeitig aus speziellen Drüsen Nektar produzieren, der speziell für ihre Beschützer, die Ameisen, bestimmt ist. Als Gegenleistung für Unterkunft und Nahrung verteidigen die Ameisen ihren Wirtsbaum aggressiv gegen Pflanzenfresser – sowohl Insekten als auch größere Tiere wie Giraffen und Elefanten. Sobald Pflanzenfresser beginnen, sich von den Blättern des Baumes zu ernähren, schwärmen die Ameisen aus, um die Eindringlinge zu beißen und zu stechen und so oft weiteren Schaden zu verhindern. Manche Ameisenarten gehen über die bloße Verteidigung hinaus und greifen benachbarte Pflanzen, die mit ihrem Wirtsbaum konkurrieren könnten, aktiv an und schaffen so eine konkurrenzfreie Zone um ihre Akazie. Untersuchungen haben gezeigt, dass Akazien ohne Ameisenverteidiger deutlich mehr Schäden durch Pflanzenfresser erleiden und langsamer wachsen als solche mit Ameisenkolonien. Diese Beziehung hat sich durch die Koevolution so sehr spezialisiert, dass beide Partner heute für ihr Überleben voneinander abhängig sind. Einige Akazienarten sind in der Wildnis kaum noch ohne ihre spezifischen Ameisenpartner anzutreffen.

Kojoten und Dachse

Ein Kojote auf einer öffentlichen Straße.
Ein Kojote auf einer öffentlichen Straße. Bild via Pexels

Die Jagdpartnerschaft zwischen Kojoten (Canis latrans) und Amerikanischen Dachsen (Taxidea taxus) zeigt, wie Raubtiere mit unterschiedlichen Jagdstrategien von einer Zusammenarbeit profitieren können. Diese ungleichen Verbündeten jagen gemeinsam in Prärieökosystemen und haben es auf Erdhörnchen und andere grabende Nagetiere abgesehen. Der Dachs kann dank seiner kräftigen Grabkraft seine Beute unter der Erde verfolgen, während der schnellere Kojote Tiere jagen kann, die über offenes Gelände entkommen. Untersuchungen haben gezeigt, dass beide Arten erheblich mehr Beute fangen, wenn sie zusammen jagen, als wenn sie allein jagen – bis zu 33 % mehr bei Kojoten und 100 % mehr bei Dachsen. Wenn ein Erdhörnchen einen Dachs sieht, der in Richtung seines Baus gräbt, flieht es oft an die Oberfläche, wo der wartende Kojote eine bessere Chance hat, es zu fangen. Umgekehrt tauchen Beutetiere auf der Flucht vor einem Kojoten oft in Baue ein, wo sie auf den Dachs treffen können. Wildbiologen haben beobachtet, dass diese beiden Raubtiere ihre Jagd sogar zu koordinieren scheinen, indem sie gemeinsam zwischen Jagdgebieten hin- und herreisen und sich bei der Jagd auf Beute abwechseln. Obwohl diese Partnerschaft keine dauerhafte Verbindung darstellt, zeigt sie, wie Arten mit komplementären Jagdfähigkeiten von temporären Allianzen profitieren können.

Zebras, Gnus und Strauße

Zebras
Zebras. Bild von Andy Witchger, CC BY 2.0 https://creativecommons.org/licenses/by/2.0, über Wikimedia Commons

In der afrikanischen Savanne bildet sich eine beeindruckende Allianz verschiedener Arten zwischen Steppenzebras (Equus quagga), Streifengnus (Connochaetes taurinus) und Straußen (Struthio camelus). Jede Art bringt unterschiedliche Sinneswahrnehmungen in diese Partnerschaft ein: Zebras haben ein ausgezeichnetes Sehvermögen, Gnus einen ausgeprägten Geruchssinn und Strauße vereinen Größe mit scharfem Sehvermögen. Indem diese Tiere gemeinsam wandern und grasen, entwickeln sie ein starkes kollektives Verteidigungssystem gegen Raubtiere wie Löwen und Hyänen. Erkennt eine Art Gefahr, alarmiert sie die anderen, wodurch die gesamte gemischte Herde ein Raubtier besser frühzeitig erkennen kann. Abgesehen von diesen Sicherheitsvorteilen wandern diese Arten oft gemeinsam und folgen dabei saisonalen Weidemustern. Ihre unterschiedlichen Nahrungsvorlieben verringern die Konkurrenz – Zebras bevorzugen beispielsweise längeres Gras.

Im Vergleich dazu ernähren sich Gnus von kürzerem Gras, das Zebras bereits abgegrast haben. Strauße fressen Pflanzen, die keinem der Huftiere schmeckt, sowie Insekten, die durch die Bewegungen der Huftiere aufgescheucht werden. Diese vielschichtige Kooperation verbessert das Überleben aller drei Arten und zeigt, wie natürliche Selektion zwischenartliche Assoziationen begünstigen kann, die die Verteidigungsfähigkeiten aller Beteiligten vervielfachen und gleichzeitig den Ressourcenwettbewerb minimieren.

Einsiedlerkrebse und Seeanemonen

rote und weiße Krabbe auf grauem Felsen
Einsiedlerkrebse. Bild über Unsplash

Einsiedlerkrebse leiden unter ständiger Behausungsnot und müssen mit zunehmendem Wachstum immer größere Schalen finden. Mehrere Arten haben eine faszinierende Lösung entwickelt: Sie bilden Partnerschaften mit Seeanemonen. Der Einsiedlerkrebs setzt Seeanemonen vorsichtig aus seinem alten in sein neues Zuhause um und benutzt dabei manchmal seine Scheren, um die Anemone sanft zum Ablösen zu bewegen. Sobald die Anemone auf der neuen Schale sitzt, heftet sie sich an und wächst. Dabei bietet sie dem Krebs durch ihre Nesseltentakeln Tarnung und Schutz. Im Gegenzug gewinnt die Anemone an Mobilität, die sie sonst nicht hätte, und erschließt sich auf ihren Reisen neue Nahrungsgründe. Sie profitiert außerdem von den Nahrungspartikeln, die beim Fressen entstehen. In manchen Partnerschaften, wie beispielsweise zwischen dem Einsiedlerkrebs Dardanus pedunculatus und der Anemone Calliactis parasitica, hat sich die Beziehung so spezialisiert, dass keiner der beiden in der freien Natur häufig ohne seinen Partner anzutreffen ist. Manche Einsiedlerkrebse nutzen ihre Anemonenpartner sogar als Waffe und schwenken sie vor potenziellen Bedrohungen oder Konkurrenten. Diese Beziehung zeigt, wie zwei sehr unterschiedliche Organismen langfristige Partnerschaften eingehen können, die die ökologischen Fähigkeiten beider Arten verändern.

Algen und Pilze in Flechten

Unterwasserfotografie mit Grünalgen
Algen. Bild über Unsplash.

Das vielleicht nahtloseste Beispiel für die Zusammenarbeit zwischen Arten sind Flechten. Sie stellen eine der erfolgreichsten Partnerschaften zwischen Pilzen und Algen (oder Cyanobakterien) in der Natur dar. Diese Integration ist so vollständig, dass Flechten lange Zeit für einzelne Organismen gehalten wurden, bis der Schweizer Botaniker Simon Schwendener 1867 ihre duale Natur entdeckte. In dieser bemerkenswerten Beziehung sorgt der Pilz für Struktur, Schutz vor rauen Umgebungen und mineralische Nährstoffe, während der photosynthetische Partner durch Photosynthese Kohlenhydrate produziert. Diese Kooperation ermöglicht es Flechten, extreme Umgebungen zu besiedeln, in denen keiner der Partner allein überleben könnte – von sengenden Wüsten bis zur eisigen Antarktis. Manche Flechtenpartnerschaften haben sich im Laufe von Millionen Jahren der Koevolution so spezialisiert, dass die Pilzpartner ohne ihre spezifischen Algengegenstücke nicht überleben können. Der Erfolg dieser uralten Partnerschaft zeigt sich in den schätzungsweise 20,000 Flechtenarten weltweit, die etwa 6 % der Landoberfläche der Erde bedecken. Flechten sind ein Beispiel dafür, wie durch die Zusammenarbeit grundlegend verschiedener Organismen Wesen mit völlig neuen Eigenschaften und ökologischen Fähigkeiten entstehen können, die es ihnen ermöglichen, in Umgebungen zu gedeihen, die für jeden der beiden Partner allein unbewohnbar wären.

Kolumbianische Kleinschwarze Vogelspinnen und Microhylid-Frösche

Tarantel
Carlos E. Perez SL, CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, über Wikimedia Commons

In den Wäldern Südamerikas, insbesondere Perus und Kolumbiens, besteht eine faszinierende Beziehung zwischen bestimmten Vogelspinnenarten (wie Xenesthis immanis) und winzigen Zwergfröschen (vor allem Chiasmocleis ventrimaculata). Diese daumennagelgroßen Frösche leben im Bau der Vogelspinne, oft direkt neben einem Raubtier, das sie leicht verspeisen könnte. Von dieser Partnerschaft profitieren beide Arten: Die Frösche fressen kleine Insekten wie Ameisen und Termiten, die die Eier oder Jungen der Vogelspinne erbeuten könnten, und sind durch das Zusammenleben mit dem imposanten Spinnentier vor ihren eigenen Fressfeinden geschützt. Untersuchungen haben gezeigt, dass Vogelspinnen mit Froschpartnern einen höheren Fortpflanzungserfolg haben als solche ohne. Die Vogelspinnen scheinen ihre winzigen Partner zu erkennen und zeigen bemerkenswerte Zurückhaltung, indem sie sie selbst bei Körperkontakt nicht angreifen. Wissenschaftler haben beobachtet, dass die Frösche chemische Signaturen entwickelt haben, die den Vogelspinnen helfen könnten, sie als Partner und nicht als Beute zu identifizieren. Diese Beziehung zeigt, wie evolutionärer Druck zu unwahrscheinlichen Allianzen zwischen Raubtier und potenzieller Beute führen kann, wenn der gegenseitige Nutzen den Raubinstinkt überwiegt.

Schlussfolgerungen: Die evolutionäre Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen Arten

Atlanta, Georgia Southern Coyotes auf dem Vormarsch
Südliche Kojoten in Atlanta, Georgia auf dem Vormarsch (Bildnachweis: Wikimedia)

Diese vierzehn Beispiele interartlicher Kooperation verdeutlichen die bemerkenswerte Komplexität ökologischer Beziehungen, die über Konkurrenz und Prädation hinausgehen. Solche Partnerschaften zeigen, dass die natürliche Selektion immer wieder die Zusammenarbeit über Artengrenzen hinweg begünstigt hat, wenn der gegenseitige Nutzen die Kosten der Kooperation überwiegt. Diese Beziehungen stellen vereinfachende Naturvorstellungen als bloße „rote Klauen“ in Frage und zeigen, dass Interdependenz und Symbiose neben Konkurrenz grundlegende Aspekte der Evolution sind. Die Vielfalt dieser Partnerschaften – die alle wichtigen Tiergruppen, Pflanzen und Mikroorganismen umfassen – legt nahe, dass Kooperation ein fundamentales biologisches Prinzip und keine evolutionäre Anomalie darstellt. Da menschliche Aktivitäten die biologische Vielfalt weltweit zunehmend bedrohen, ist das Verständnis und der Erhalt dieser komplexen ökologischen Beziehungen von entscheidender Bedeutung, da der Verlust einer Partnerart Kaskadeneffekte auslösen kann, die ganze Ökosysteme gefährden. Diese kooperativen Netzwerke erinnern uns daran, dass in der Natur wie in menschlichen Gesellschaften einige der erfolgreichsten Überlebensstrategien darin bestehen, zusammenzuarbeiten, anstatt allein zu agieren.